Das Versorgungsamt, auch Amt für Soziale Angelegenheiten (ASA) genannt, stellt nach dem SGB IX fest, ob bei einer Person eine Behinderung vorliegt und welchen Grad (GdB) sie hat. Je nach Bundesland werden die Versorgungsämter unterschiedlich bezeichnet oder sind verschiedenen Behörden zugeordnet, in Bayern etwa dem „Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS)“, in Berlin dem „Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin“.
Ein kleiner Einblick in die Geschichte der deutschen Versorgungsämter
Die Geschichte der deutschen Versorgungsverwaltung reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Entschädigungen kamen damals jedoch nur Kriegsopfern zu, von denen es nach Ende des Deutsch-Französischen Krieges (1870-71) tausende gab. Für sie wurden im Jahre 1871 Entschädigungen eingeführt. Die Zahl der Kriegsversehrten in Deutschland vergrößerte sich erheblich nach dem Ersten Weltkrieg (1914-18), sodass 1920 die Verabschiedung des Reichsversorgungsgesetzes erfolgte, um ihnen Unterstützung zukommen zu lassen.
Im Jahre 1950 trat das Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Kraft und ersetzte die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen länderrechtlichen Vorschriften zur Kriegsopferversorgung. Knapp ein Jahr später folgte das „Gesetz über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung“. Die Versorgungsämter und Landesversorgungsämter wurden als besondere Verwaltungsbehörden der Länder errichtet.
Wie ermittelt das Versorgungsamt den GdB?
Die Mitarbeiter des Versorgungsamtes ermittelten den „Grad der Behinderung“ (GdB) anhand der „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“. Diese haben 2009 die bis dato gültigen „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) abgelöst, die in Rechtsprechung und Literatur wiederholt kritisiert worden waren. Es gab für sie auch keine gesetzliche Grundlage, dennoch wurden sie allgemein in der Jurisdiktion angewandt.
Ohne die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ geht im Schwerbehindertenrecht und im sozialen Entschädigungsrecht gar nichts. Es handelt sich dabei nicht um starre Regeln. Die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ wurden und werden weiterhin entsprechend dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und versorgungsmedizinischer Erfordernisse fortentwickelt. Den Gutachtern des Versorgungsamtes dienen sie als Richtlinie und Grundlage für die Bewertung des GdB – also der verschiedenen Auswirkungen von gesundheitlichen Beeinträchtigungen unter besonderer Berücksichtigung ihres Zusammenwirkens.
Kostenfreie Erstberatung
Haben Sie Fragen zu den versorgungsmedizinischen Grundsätzen?
Stellen Sie diese kostenfrei an unsere Pflege-Experten. Fachkundige und empathische Beratung zu Ihren Anliegen.
Zu einem ganz wesentlichen Teil bestehen die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ aus der GdB Tabelle. Hier ist jeder Teil des Körpers erfasst, beginnend mit Kopf und Gesicht bis hin zu den Haltungs- und Bewegungsorganen. Berücksichtigt werden ebenfalls das Nervensystem sowie psychische und seelische Behinderungen. Für die Gutachter ist es nicht einfach, die Symptome und Funktionseinschränkungen jedem einzelnen Fall entsprechend zuzuordnen und zu gewichten.
Überdies kommt es vor, dass eine Behinderung auslösende Erkrankung in der GdB Tabelle gar nicht gelistet sind. Denn die Anzahl der dort aufgeführten Befunde und medizinischen Diagnosen ist begrenzt. Eine Einstufung geschieht dann analog zu Erkrankungen, die in etwa eine entsprechende Symptomatik und ähnliche Auswirkungen haben. In der gutachtlichen Stellungnahme muss für die festgestellten Gesundheitsstörungen der GdB für jedes Funktionssystem gesondert angegeben werden. Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, werden diese in der Reihenfolge ihres Schweregrades aufgeführt.
Gut zu wissen
Der GdB wird in Zehnergraden angegeben, der niedrigste liegt bei 20 und der höchste bei 100. Ab einem GdB von 50 liegt eine Schwerbehinderung vor, das Versorgungsamt stellt in dem Fall einen Schwerbehindertenausweis aus.
Antrag auf GdB: Das müssen Sie unbedingt beachten
Nachdem Sie Ihren Antrag auf Feststellung des GdB beim Versorgungsamt eingereicht haben, vergehen rund drei Monate, in denen Ihre Unterlagen von den amtlichen Gutachtern geprüft werden.
Wichtig
Je mehr Informationen vorliegen, desto besser. Fügen Sie Ihrem Antrag auch aktuelle Atteste, Röntgenbilder und Laborbefunde bei, dann müssen diese nicht erst vom Amt angefordert werden. Bitten Sie zudem Ihren Arzt, in seinen Berichten nicht nur ihre Krankheiten und Behinderungen aufzuführen, sondern auch zu beschreiben, welche Einschränkungen Sie dadurch haben. Dies trägt maßgeblich zur entsprechenden Einstufung des GdB bei. Denn Ihre gesundheitliche Einschränkung wird immer mit dem verglichen, was für einen Menschen ohne Behinderung normal ist.
Ausschlaggebend ist auch der zeitliche Rahmen – wenn der gesundheitliche Schaden länger als sechs Monate anhält und von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, liegt wahrscheinlich eine Behinderung vor. Beachten Sie bitte: In Einzelfällen kann zur Feststellung der Gesundheitsstörungen eine ärztliche Untersuchung erforderlich sein. Dazu werden vom Versorgungsamt auch externe Gutachter eingeschaltet.
Gut zu wissen
Falls Sie eine Ihnen zumutbare Untersuchung verweigern, geht das zu Ihren Lasten.
Wie wird Ihnen der ermittelte Gesamt-GdB durch das Versorgungsamt mitgeteilt?
Am Ende des Verfahrens erhalten Sie einen sogenannten „Feststellungsbescheid“, in dem die funktionellen und anatomischen Veränderungen des allgemeinen Gesundheitszustandes zum Ausdruck kommen. Formulierungen, die seelisch belasten oder bloßstellen könnten, werden dabei natürlich vermieden. Eine Bezeichnung wie „Schizophrenie“ wird als „psychische Behinderung“ umschrieben, statt „Multiple Sklerose“ wird von einem „organischen Nervenleiden“ gesprochen.
Schwerbehindertenausweis: Informationen zu Vorteilen und Merkzeichen
Bei Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises profitieren Sie von einer Reihe von Erleichterungen und Vorteilen: Sie erhalten nicht nur finanzielle Vergünstigungen im öffentlichen Nahverkehr und bei Theater- und Museenbesuchen, sondern genießen auch besondere Rechte im Berufsleben, beim Rentenanspruch und bei der Pflegeversicherung.
Abhängig von Art und Schwere der Behinderung, ist der Ausweis mit einem oder mehreren Merkzeichen versehen – beispielsweise „Merkzeichen Bl“ für blind oder „Merkzeichen G“ für gehbehindert. Der Betroffene profitiert so von Vergünstigungen, die in verschiedenen Rechtsbereichen über die Vergünstigungen hinausgehen, die ein Schwerbehinderter ohne Merkzeichen erhält.
Schwerbehinderung in der Arbeitswelt
Grundsätzlich muss in der Arbeitswelt auf schwerbehinderte Menschen Rücksicht genommen werden. Wenn Sie bereits in einem regulären Arbeitsverhältnis stehen und eine Schwerbehinderung bzw. Schwerbeschädigung eintritt, hat der Arbeitgeber die Pflicht, die Weiterbeschäftigung zu prüfen und das Umfeld so zu gestalten, dass Sie Ihre Tätigkeit gut ausführen können. Für diese Maßnahmen erhält der Arbeitgeber bei Bedarf Unterstützung von der Agentur für Arbeit oder den Integrationsämtern.
Für den einen oder anderen mag die offizielle Feststellung einer Schwerbehinderung daher existentiell wichtig sein. Wenn Sie mit dem „Feststellungsbescheid“ des Versorgungsamtes nicht einverstanden sein sollten, haben Sie ein Recht auf Akteneinsicht und können eventuell Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Es empfiehlt sich, dass Sie sich bereits bei Antragstellung einen Profi an die Seite holen, der die Sachlage gut kennt.